VdS-Tagung zeigt neue Wege und Möglichkeiten für die Amateurastronomie und deren Vermittlung an die Gesellschaft
Vom 28. bis 30. Oktober 2022 fand in Halle (Saale) eine VdS-Tagung besonderer Art statt. Es ging diesmal nicht um spezifische Themen aus der Astronomie, sondern um Wege, das Weltall aus vielerlei Perspektiven „erlebbar“ zu machen.
Ihren Ursprung hatte die Tagung bereits 2019, als im Zuge der damaligen VdS-Tagung mit Mitgliederversammlung in Neunburg v. Wald/Oberpfalz innerhalb der Fachgruppe Astronomische Vereinigungen besprochen wurde, in den geraden Jahren ein bundesweites Sternwartentreffen zu organisieren. Das erste dieser Art fand 2016 in Heppenheim statt und führte zur Gründung der Fachgruppe. 2018 war der Tagungsort Darmstadt.
Als Tagungsort 2020 wurde mit Halle (Saale) der Vorschlag aus der Region Süd angenommen. Hintergrund war damals, dass die Notwendigkeit bestand, die VdS in der Region Ost bekannter zu machen. Zudem liegt Halle relativ zentral in Deutschland. Dass im dortigen Landesmuseum für Vorgeschichte die Himmelsscheibe von Nebra ausgestellt ist und der gleichnamige Fundort sowie das Sonnenobservatorium Goseck in der Nähe von Halle liegen, war ein zusätzliches Argument für ein interessantes Rahmenprogramm.
Erst aber mussten die weiteren Planungen durch die Corona-Pandemie für eine Weile auf Eis gelegt werden. Ab 2021 kristallisierte sich jedoch das sich bereits im Bau befindliche neue Planetarium Halle als möglicher Tagungsort heraus und die Vorgespräche fanden hierzu per Zoom-Konferenz innerhalb der FG AV statt. Mit dem Arbeitstitel „Alle nach Halle“ gingen wir schließlich ins Rennen und bildeten ein Organisations-Team.
Leider stellte sich Anfang 2022 heraus, dass aufgrund bautechnischer Schwierigkeiten die Eröffnung des Planetariums verschoben werden musste. Damit fiel dieses als Veranstaltungsort für unser Treffen aus und neue Räumlichkeiten mussten gefunden werden.
Die altehrwürdige Universität Halle-Wittenberg bot sich hier an und nach ersten Vorgesprächen konnten wir uns ins Löwengebäude der Uni einmieten. Damit war allerdings auch klar, dass die Fachgruppe ein größeres Budget benötigte und wir entschieden uns, in Abstimmung mit dem VdS-Vorstand, die Veranstaltung als VdS-Tagung zu organisieren.
Der Tagungstermin Ende Oktober war an sich gut gewählt. Einen Monat zuvor kam die Original-Himmelsscheibe von Nebra nach einer fast zweijährigen Europa-Tournee wieder nach Halle zurück.
Mit dem Planetarium Kanena (Stadtteil von Halle) und dem dortigen Verein „Astronomische Station Johannes Kepler e. V.“ konnten wir einen wunderbaren Partner vor Ort gewinnen. Das eröffnete gleichzeitig neue Möglichkeiten, da wir für den Tagungsfreitag ein Treffen unserer Fachgruppe incl. weiterer Interessierter Sternfreunde dort organisieren konnten.
Ein halbes Jahr vorher starteten wir mit den Planungen für unser Tagungsprogramm. Neue Wege gehen…, über den Horizont blicken…, Sternwarten im Spiegel der Gesellschaft…, Umweltgedanke…, Lichtverschmutzung…, Kooperationen…; viele Ideen schwebten dem Orga-Team vor. Es sollten aber auch unbedingt ein Mehrwertkonzept der VdS (welche Vorteile bietet eine VdS-Mitgliedschaft eines astronomischen Vereins) dabei sein, sowie andere Fachgruppen der VdS (insbesondere deren Synergieeffekte mit der FG AV) miteinbezogen werden und auch die Jugend in der Astronomie sollte nicht zu kurz kommen.
Heraus kam ein Tagungsprogramm, das in diesem Rahmen noch nie da war.
Freitag, 28.10.:
Einige bereits früh Angereiste hatten am Vormittag noch die Gelegenheit, das sich noch im Bau befindliche neue Planetarium Halle anzuschauen. Planetariumsleiter Dirk Schlesier führte die kleine Gruppe durch das imposante Gebäude mit seiner denkmalgeschützten Fassade eines ehemaligen Gasometers.
Am Nachmittag trafen sich dann Mitglieder der FG AV und einige weitere Interessierte zu einem Arbeitstreffen im Planetarium Kanena (dem ersten Schulplanetarium Deutschlands, erbaut 1961 bis 1963), bei dem Andreas Klug das Mehrwertkonzept der VdS für Sternwarten und Astronomievereine vorstellte. Auch die aktuelle Situation in der Jugendarbeit wurde erörtert. Michael Schomann zeigte anschließend die Geschichte der FG AV in Bildern, ehe Angel und Keks (zwei Mitglieder des Planetariums Kanena) eine eindrucksvolle Demonstration einer Planetariumsführung zeigten. Nach einer kurzen Besichtigung der dazugehörigen Sternwarte trafen sich die Teilnehmer zusammen mit anderen VdS-Mitgliedern zum gemeinsamen Abendessen in den Prager Bierstuben.
Samstag, 29.10.:
Der Tag begann früh. Bereits kurz vor 8 Uhr stand das Orga-Team zusammen mit einigen Helfern vom Planetarium Kanena am Löwengebäude der Universität zum Aufbau der Tagung. Eingangsbereich, Aula und der Nebenraum für die Infostände und das Catering mussten hergerichtet werden.
Ab 9 Uhr begann dann der Ansturm der Tagungsteilnehmer. Michael Schomann als Leiter der Fachgruppe AV begrüßte die knapp 80 Teilnehmer pünktlich um 10 Uhr. Durch das Programm führte Benjamin Mirwald als Tagungsleiter.
Den Anfang machten Vertreter der astronomischen Institutionen von Halle und Umgebung (Planeterien Halle, Kanena und Merseburg, sowie die Gesellschaft für astronomische Bildung e. V.) und stellten ihre Einrichtungen vor.
Es folgte ein Block über „Astronomie ohne Grenzen“. Darin waren Berichte über barrierefreie Beobachtung, Astronomie für Blinde, Kooperationen mit Kunst und Musik, sowie interdisziplinäre Ansätze für Jugendliche enthalten. Insbesondere der musikalische Beitrag von Paul Hombach, live über Zoom zugeschaltet, wurde mit begeistertem Applaus honoriert.
Nach der Mittagspause folgte der VdS-Block mit der Vorstellung des Mehrwertkonzepts für Sternwarten, der Vorstellung der VdS-Botschafter sowie das „Ideenfeuerwerk“ einiger Fachgruppen, wie Fachthemen in die Öffentlichkeitsarbeit der Sternwarten eingebracht werden können. Zudem stellte sich die neue Fachgruppe Remote-Sternwarten vor.
Die Pausen wurden von den Teilnehmern eifrig genutzt, um neue Kontakte zu knüpfen, Gespräche zu führen. Gerade hinsichtlich der Bestrebungen der FG AV die Sternwarten, Planetarien und Astronomievereine zu vernetzen, bot sich hier reichlich Gelegenheit, sich auszutauschen.
Mit dem Titel „Multiplikatoren des Wandels – gemeinsam die Zukunft gestalten“ stellte Tobias Beuchert (Astronomers for Planet Earth) Möglichkeiten vor, wie Profi-Astronomen mit Volkssternwarten und Planetarien zusammenarbeiten können.
Anschließend erörterten in einer Podiumsdiskussion Andreas Hänel (Fachgruppe Dark Sky), Frank Vohla (Teammitglied Paten der Nacht) und Laura Kranich (Meteorologie-Studentin und Fotografin), was gegen Lichtverschmutzung getan werden kann. Peter Gärtner (Walter-Hohmann-Sternwarte Essen) moderierte.
Abschließend resümierte VdS-Botschafter Daniel Fischer in gekonnter Manier die Tagung äußerst positiv. Unter dem Beifall der Tagungsteilnehmer stellten sich die Akteure des Tages auf der Bühne nochmals auf.
Für den Abendvortrag „Neue Horizonte – das kosmische Weltbild der Himmelsscheibe von Nebra im Spiegel der bronzezeitlichen Mythologie“ konnten wir vom Landesmuseum für Vorgeschichte Dr. Regine Maraszek, Kuratorin Frühe Metallzeiten des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle, gewinnen.
Im Halle’schen Brauhaus klang die Tagung bei guten Gesprächen, gutem Essen und gutem Bier aus. Da in der folgenden Nacht die Uhren wieder auf Normalzeit zurückgestellt wurden, bekam jeder auch genügend Schlaf fürs Rahmenprogramm am Sonntag.
Sonntag, 30.10.2022:
Drei Stationen umfasste das Rahmenprogramm zur astronomischen Kulturgeschichte. Um 10.00 Uhr traf man sich am Landesmuseum für Vorgeschichte für einen interessanten Ausflug in die Jungsteinzeit und Bronzezeit um die Hintergründe der berühmten Himmelsscheibe von Nebra zu erfahren. Das Museum bietet bei weitem mehr, aber innerhalb einer Stunde konnten wir leider nicht alles besichtigen.
Um 13.00 Uhr ging es dann weiter in Goseck an der Kreisgrabenanlage. Auch hier bekam die inzwischen kleiner gewordene Gruppe eine interessante Führung durch das Sonnenobservatorium.
Zum Abschluss konnten die restlich verbliebenen Tagungsteilnehmer noch zum Fundort der Himmelsscheibe in der Nähe von Nebra wandern. Das Museum „Arche Nebra“ war leider seit Anfang Oktober wegen Umbauarbeiten geschlossen.
Mit dem Sonnenuntergang am Mittelberg endete auch das interessante und inspirierende Tagungswochenende. Ja, es hätten ein paar Teilnehmer mehr sein können. Aber jenen, die da waren, hat es sichtlich gefallen. Wir können alle auf eine erfolgreiche und vielleicht auch richtungsweisende Tagung zurückblicken.
Wir danken ganz herzlich den Sternfreunden vom Planetarium Kanena, die uns in der Vorbereitung und Durchführung der Tagung hervorragend unterstützt haben! Auch an alle Referenten ein herzlicher Dank für ihre inspirierenden Beiträge. Und natürlich erhoffen wir uns auch für die Zukunft einen weiteren Schub zur Vernetzung und Zusammenarbeit innerhalb unserer Fachgruppen.
Und für alle, die sich mehr rein astronomische Themen gewünscht hätten, gibts ja am 12. November noch die Boheta in Bochum.
Harald Steinmüller, FG AV Leiter Region Süd, Mitglied des Orga-Teams Halle